Tel.: 040 33 31 33 61 u. 0157 58284631    elmar.basse@t-online.de   |  Dr. phil. Elmar Basse | Colonnaden 5 | 20354 Hamburg | Hypnosetherapeut | Heilpraktiker für Psychotherapie

Das Eine

Praxis für Hypnose Hamburg

Dr. phil. Elmar Basse

Kontakt | Menü | Kosten | Themen

Das Eine

Nachdem durch Thales, den antiken Philosophen, das Wasser als Urgrund bzw. Urprinzip bestimmt wor­den war (Die Urprinzipien), entzündete sich Kritik daran, dass damit dem Einen eine sinnliche Qualität zuerkannt worden war, die es aber nicht haben dürfe.


Weithin wird Thales so interpretiert, als würde er das reale, tatsächliche Wasser als Urgrund und Urprinzip verstehen.


Man versucht sich den Satz vom Wasser als Ursprung später so zu erklären, dass Thales in einer Küstenstadt lebte: Er sah, wie das Meer die Küsten umspült, wie Wolken aus ihm zu entstehen scheinen oder wie es in Wolken verschwindet, wie es das Land ganz überschwemmt, um es dann wieder freizugeben, wie es in sich Leben birgt und aus ihm heraus Leben entsteht, wenn Pflanzen und Tiere durch Wasser gedeihen.1


Agrippa von Nettesheim wird später, im Zeitalter der Renaissance, schreiben:


„Das Wasser ist so notwendig, dass kein Tier ohne dasselbe leben könnte; kein Kraut, keine Pflanze könnte ohne Befruchtung durch Wasser fortkommen. In ihm liegt die Samenkraft aller Dinge, und zwar in erster Reihe der Tiere, deren Same, wie der Augenschein lehrt, wässrig ist. … Sein Nutzen und Gebrauch ist unendlich mannigfaltig und alle Dinge hängen von seiner Macht ab, indem es die Kraft der Zeugung, der Ernährung und des Wachstums besitzt. Deshalb haben Thales von Milet und Hesiod das Wasser für den Ursprung aller Dinge gehalten und es als das älteste und mächtigste unter den Elementen genannt, weil es über alle übrigen herrscht. Denn wie Plinius sagt, das Wasser verschlingt das Land, tötet die Flammen, steigt in die Höhe und nimmt in Wolkengestalt von dem Himmel Besitz; indem es herabfällt, verleiht es allen Produkten der Erde ihr Wachstum.“2


Wenn aber der Satz gilt: „Alles ist Eins“, und wenn das Wasser der Ursprung ist, so nicht das Wasser, das man trinkt oder das die Küsten umspült. Das ist einzig und alleine die grob-materielle Ebene. In einer Art von mystischer Schau erkennt Thales im ihn umgebenden Wasser vielmehr den Urgrund, das Urprinzip: das Prinzip des Wässrigen, könnte man es vielleicht nennen.


Es ist das Fließende, Wandelbare, das in sich immense Kräfte birgt, das sanft und stürmisch auftreten kann, reinigend und alles verschlingend. Friedrich Nietzsche erkennt es sehr klar: „So schaute Thales die Einheit des Seienden: und wie er sich mitteilen wollte, redete er vom Wasser!“3


Das trifft die Sache genau auf den Punkt: Keineswegs geht es um das Wasser, sondern immer nur um das Eine, die innere Einheit des Seienden – wie auch immer man es bezeichnet.



Das eigenschaftslose Eine

Oben wies ich schon darauf hin, dass an Thales kritisiert worden ist, er habe dem Einen, dem Ursprung bzw. Urprinzip, eine sinnliche Qualität zugesprochen, als er es als Wasser bezeichnet hat. Geht diese Kritik zwar an Thales vorbei und kann ihn in Wirklichkeit nicht treffen, ist allerdings durchaus zu fragen, warum es sich denn so verhält, dass das Eine, also der Ursprung, keine Qualitäten besitzt, also eigenschaftslos ist.


Nun, weil alles, was sinnlich wahrnehmbar ist (z.B. das tatsächliche Wasser), irgendwann einmal entstanden, aber auch vergäng­lich ist:

„Alles, was einmal geworden ist, vergeht auch wieder, ob wir nun dabei an das Menschenleben oder an Wasser oder an Warm und Kalt denken: überall, wo bestimmte Eigenschaften wahrzunehmen sind, dürfen wir auch den Untergang dieser Eigenschaften … prophezeien.“4 


Wenn das Eine, also der Urgrund, bestimmte Eigenschaften besäße, so wäre es nicht unvergänglich. Darum ist es eigenschaftslos und ebendarum unvergänglich. Es ist „über das Werden erhaben und verbürgt ebendeshalb die Ewigkeit und den ungehemmten Verlauf des Werdens“5.


Im Ursprung ist damit alles eins und frei von allen Qualitäten. Das Eine ist ganz eigenschaftslos. Alles, was sinnlich wahrnehmbar wird, ist erst aus dem Einen entstanden und wird wieder in es zurückkehren müssen.



Bilder vom Einen

Blicken wir uns in der Welt um, gibt es nichts, was ewig ist. Alles, was wir wahrnehmen können, ist irgendwann einmal entstanden und wird ebenso sicher wieder vergehen.


Dass es hingegen das Eine gibt, das ewig und eigenschaftslos ist, das ist dem Menschen schwer vorstellbar. Er neigt stattdessen viel eher dazu, sich mit Bildern zu umgeben. Solche Bilder waren es, die in der griechischen Mythologie die einzelnen olympischen Götter darstellten. Sie werden in der griechischen Frühzeit sehr ähnlich den Menschen auf Erden beschrieben. So gibt es z.B. den Kriegsgott Ares (lat. Mars), der als aggressiv und grausam dargestellt wird, auch als jähzornig und eifersüchtig.


In der Bibel heißt es dagegen, dass man sich kein Bild von Gott machen soll. Gott steht hier allein für das Eine: ewig, unvergänglich und ungeworden. Als Gott dem Moses auf Nachfrage hin seinen eigenen Namen nennt, sagt er: Ich bin der Ich bin. Keine Eigenschaft wird zugesprochen, nichts wird über ihn ausgesagt.


Schauen wir uns in Kirchen um, finden wir jedoch eine Vielzahl von Bildern, in denen das Eine (Gott) dargestellt wird.


Der Grund ist derselbe wie bei Thales: Wir können uns unter dem Einen überhaupt nichts vorstellen. Wenn wir etwas wahrnehmen wollen, brauchen wir dafür Eigenschaften, die wir ihm jeweils zusprechen können.


Thales löst sich von der Mythologie, spricht nicht mehr über einzelne Götter und nennt das Eine stattdessen das Wasser, um es sinnbildlich werden zu lassen: Denn die Menschen, zu denen er sprach, hätten sich gar nicht vorstellen können, was das Eine überhaupt sei, hätte er keine Beschreibung gegeben.



Das Eine und die Schöpfung

Wir nehmen die Welt wahr, die uns umgibt, und wir sind ein Teil dieser Welt. Sie entsteht und vergeht immerzu, sie unterliegt dem ständigen Wandel. Doch woraus entsteht die Welt denn selbst?


Mit Thales beginnt die Suche nach dem, was im Wandel unwandelbar ist, nach dem sogenannten Urgrund der Dinge. Denn etwas kann nicht aus dem Nichts entstehen. Hinter der Vielheit der Dinge der Welt bzw. in dieser Vielheit gibt es eine innere Kraft, ein in ihr wirkendes Urprinzip, das die Dinge entstehen lässt.


In diesem Urprinzip, dem Urgrund, ist alles umfasst, was existiert. Alles existiert allein in ihm bzw. aus ihm heraus. Die Welt ist damit die Schöpfung des Einen.


Das Eine wird repräsentiert durch die 1, nämlich als ursprüngliche Einheit. „Die Zahl 1 lässt sich nicht vermehren noch verändern, denn 1 x 1 = 1 und 1 : 1 = 1.“6 In ihr sind alle weiteren Zahlen enthalten: Jede einzelne weitere Zahl kann durch eine Rechenoperation aus der 1 gebildet werden.


In der 1, d.h. im Einen, sind also alle Möglichkeiten enthalten, allerdings nur als Möglichkeiten, nur als reines Potenzial, das noch nicht realisiert und geschöpft, also noch nicht erschaffen ist. Die Eins, das Eine, kann daher als „aller Dinge Anfang“7. bezeichnet werden: Alles geht vom Einen aus und alles hat seinen Anteil an ihm, kehrt aber mit seinem Vergehen immer auch wieder ins Eine zurück.


Entsprechend heißt es bei Pythagoras, dem altgriechischen Philosophen, dem wir auch den jedem Schüler bekannten pythagoreischen Lehrsatz a2 + b2 = c2 verdanken: Die 1 verkörpert den „Urzustand der Welt, in dem alle Wesen und Dinge nur als Möglichkeiten vorhanden sind“.8



Die Zwei

Die in der Eins, dem Einen, latent vorhandenen Möglichkeiten realisieren sich erst durch ihre Entfaltung. Durch die Aufteilung der Eins, d.h. des Einen, entsteht damit zunächst die Zwei.


Erst durch die Entstehung der 2 wird damit die „Grundlage der polaren, gegensätzlichen Welt geschaffen“. Oben und unten, links und rechts, gut und böse … das Eine teilt sich in Polaritäten. Das wiederum lässt erst die Möglichkeit zu, dass Erkenntnis entstehen kann, weil das Eine, Unterschiedslose sich selber nicht erkennen kann, „Erkenntnis ist gebunden an Subjekt und Objekt“. Denn „die 1 kann sich nicht selbst als 1 wahrnehmen, solange es nichts gibt, was nicht 1 ist. Die aktive 1 muss einen Gegenpol aus sich herausstellen, der ihr als Spiegel dient.“9


Erst durch die Bildung von Unterschieden wird Erkenntnis überhaupt möglich. Ich erkenne, wer ich bin, indem ich mir klar werde, wer ich nicht bin, was mich von anderen unterscheidet. Das ist oftmals anstrengend, kann mitunter schmerzhaft sein, kann sogar in Vereinzelung führen. Im Menschen ist beides angelegt: Einerseits ist er ein „Herdentier“, andererseits ein „Einzelwesen“.


Menschen finden es oft beglückend, in der Masse aufzugehen, wieder in der „Herde“ zu sein: Dort heben die Unterschiede sich auf, das Ich geht in der Einheit auf, seine Differenzierung erlischt.10 Und in der Entwicklung des Kindes bildet sich bekanntlich erst nach und nach die Vorstellung des eigenen Ichs heraus: „In den ersten Lebenswochen, in denen Sie und Ihr Kind miteinander vertraut werden und sich gegenseitig kennenlernen, empfindet sich Ihr Kind zunächst noch völlig eins mit Ihnen.“



Die Drei

Wird die Spannung ausgehalten, die von der 2 erzeugt worden ist, kann aus ihr die 3 entstehen.


Mit der 2 erfolgte die Spaltung des ursprünglichen Einen, der 1. So entstand die Grundlage der polaren, gegensätzlichen Welt. Es ist aber dann die 3, es ist „jener 3. Punkt, der die Spannung der beiden Gegensätze aufhebt, sie neutralisiert. Die 3 ist das Resultat der zeugungsfähigen Polarität und vereinigt die aus der 1 hervorgegangene Zweiheit zu einer neuen, höheren Einheit, der Dreieinigkeit.“


Aus der 2 wird die 3 geboren, sie „repräsentiert also … die vollkommene Schöpfung“ (Vater, Mutter, Kind; These, Antithese, Synthese), nur ist sie damit noch nicht entstanden, noch nicht Materie geworden.11



Die Vier
Der Eintritt in die Materie, in die materielle Welt, geschieht erst mit der Zahl 4. Schon für den Philosophen Pythagoras gilt für die 4: „Es entsteht der Weltzustand, in dem wir uns befinden, der Zustand der Vier …“
12


Denn „4 ist die Zahl der Materie, ihre Symbole das Quadrat oder der Würfel. Klappt man den Mantel eines Würfels auseinander, so erhalten wir ein Kreuz. So ist der Mensch an das Kreuz der Materie geschlagen, gekreuzigt von der Polarität der Zeit und des Raumes. Nur im Schnittpunkt des Kreuzes fallen Zeit und Raum in einem Punkt zusammen, entsteht die Befreiung von der Polarität …“13 






Anmerkungen:

1) Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker, Stuttgart 1968, S. 7

2) Agrippa von Nettesheim: Die magischen Werke, Wiesbaden 2008, S. 62f.

3) Friedrich Nietzsche: Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, Kindle, Pos. 49174

4) a.a.O., 49194

5) a.a.O., 49199

6) Thorwald Dethlefsen: Schicksal als Chance, München 1979, S. 177

7) Agrippa, a.a.O., S. 191

8) Konrad Dietzfelbinger: Pythagoras, Königsdorf 2005, S. 43

9) Dethlefsen, a.a.O., S. 178

10) Sigmund Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse

11) Dethlefsen, a.a.O., S. 178f.

12) Dietzfelbinger, a.a.O., S. 45

13) Dethlefsen, a.a.O., S. 181


Share by: