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Hypnose und Zen

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Dr. phil. Elmar Basse

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Hypnose und Zen

Hypnose und Zen in der Kunst des Bogenschießens


Das alltägliche Dasein wird von der Struktur des „um zu“ bestimmt: Wir gehen zur Arbeit, um Geld zu verdienen … Wir fahren in Urlaub, um zu entspannen … Wir gehen auf Partys, um Spaß zu haben … …


Dass dieses „um zu“ sich meldet, liegt schon an der Fragestellung, könnte man ja vielleicht denken: Denn wenn man einen Menschen fragt, warum er dies und jenes macht, wird nach einem Grund gesucht. Es wird dabei schon unterstellt, das, was man mache, geschehe zweckmäßig, es sei gewissermaßen Mittel zum Zweck.


Leicht gerät es dabei aus dem Blick, dass wir es anders betrachten können. Jeder Mensch kennt Tätigkeiten, die ihren Wert allein in sich tragen: Man kann, zum Beispiel, im Wald spazieren, ohne etwas erreichen zu wollen - ohne den Gedanken zu haben, man tue es (nur), um gesund zu sein. Man kann in einem Tanz aufgehen, einfach nur die Sonne genießen, mit anderen Menschen gemeinsam lachen …


 

Bogenschießen

Es gibt einen klassischen Text zum Zen: „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herrigel, einem deutschen Philosophen, der einen Zugang zum Zen gewann, indem er in Japan die Kunst des Bogenschießens erlernte.


Nun ist das Bogenschießen selbst etwas, das man gewöhnlich im Sinne des „um zu“ versteht. Man schießt einen Pfeil mit einem Bogen, um ein anderes Wesen zu töten (auf der Jagd, im Krieg etc.).


Das ist heute nicht mehr üblich, jedenfalls in unseren Breiten – man kennt das Bogenschießen dann meist als eine olympische Disziplin, sodass man im Fernsehen erfahren kann, dass es offenbar Menschen gibt, für die das Bogenschießen ein Sport ist. Hier treffen wir wieder auf das „um zu“: Der Pfeil wird mit dem Bogen geschossen, um ein bestimmtes Ziel zu treffen (wozu auch sonst, könnte man fragen). So sagt es auch die Redensart, dass jemand „ins Schwarze treffe“. Gewonnen hat dann dementsprechend, wer am häufigsten / genauesten in das Ziel, „in das Schwarze“ getroffen hat.


So gesehen wäre es unklar, wie die Praxis des Bogenschießens einen Zugang zum Zen eröffnet. Man wird sich vielleicht vorstellen können, dass man ein Kunstschütze wird, indem man immer besser trifft. Das scheint ein Lernvorgang zu sein, dem man sich unterziehen müsste.


Nun, Eugen Herrigel begibt sich in Japan zu einem Zen-Meister, um das Bogenschießen zu lernen, um dadurch Zugang zum Zen zu erreichen. Bei Letzterem endet das „um zu“ jedoch, denn das Zen hat selbst keinen Zweck, den es mit ihm zu erreichen gelte.



Das Bogenschießen zu erlernen gestaltet sich für Herrigel schwierig:

Zu Beginn demonstriert der Meister, wie der Bogen zu spannen ist (ein zwei Meter langer japanischer Bogen). Herrigel merkt schon „beim ersten Versuch“, dass er „Kraft, ja sogar erhebliche Körperkraft aufwenden musste, um ihn zu spannen“.1  Schon nach wenigen Momenten begannen seine Hände zu zittern und der Atem wurde schwer, was sich trotz stetigen Übens nicht ändert:


„Das Spannen blieb eine harte Angelegenheit“, obwohl es beim Meister mühelos schien. „Zum Trost erfand ich mir den Gedanken, es müsse sich dabei um einen Kniff handeln, den der Meister aus irgendeinem Grund nicht preisgebe, und setzte meinen Ehrgeiz darein, ihn zu entdecken.“2


Das ist eben der Weg des Machens, des Zielstrebens und der Zielfixierung: „Ich will es jetzt aber endlich erreichen“ – und wenn es bislang nicht funktioniert, habe ich mich nicht genügend bemüht und war nicht erfindungsreich genug. Also muss ich mich noch mehr anstrengen und mir noch mehr Mühe geben.


Nicht dass das nicht oft funktionierte. Es ist sogar häufig so. Auch beim Bogenschießen wäre es so, dass das Spannen nicht so mühsam wäre: Bei anderen Bögen als diesen des Meisters kann es ja durchaus gelingen. Herrigel hat mit Schießen Erfahrung, mit Gewehr- und Pistolenschießen, und auch das benötigt Übung, bis man schließlich „den Bogen raushat“.


„Eigensinnig in meinen Vorsatz verbissen, übte ich weiter“3 Das ist gerade die Zielfixierung, die uns manchmal blockieren kann: Wir wollen irgendetwas erreichen und machen immer weiter und weiter, auch wenn es so nicht funktioniert, weil wir in uns die Hoffnung tragen, dass es irgendwann schon gelingt, wenn wir uns ordentlich anstrengen.


Irgendwann kann es dazu kommen, dass wir erkennen: So geht es aber einfach nicht. Das ist der Moment des Innehaltens. Für Eugen Herrigel kam der Tag, an dem er es „über sich brachte einzugestehen“, dass er auf die bisherige „Weise den Bogen nun einmal nicht zu spannen vermöge“.4


Der Meister wartet auf diesen Moment, in dem sein Schüler erkennen muss, dass es für ihn nicht weitergeht, jedenfalls nicht auf diesem Weg. Hier erst kann die Umkehr erfolgen, gewissermaßen am tiefsten Punkt. Denn so ist es auch oft im Leben – erst wenn wir uns nicht mehr täuschen können, dass wir auf dem falschen Weg sind, zwingt uns gewissermaßen das Leben, eine Wende zu vollziehen, so aber, dass wir erst einmal stoppen, ohne dass wir dabei schon wissen müssen, wie es stattdessen gehen könnte.


So klärt der Meister ihn nun auf, dass es an der Atmung liegt. Nur indem er richtig atmet – was er erst noch lernen muss –, kann das Spannen des Bogens gelingen. Dabei wird an diesem Punkt das bisherige Ziel des Eugen Herrigel, den Bogen richtig spannen zu können, zunächst einmal beiseitegestellt und vorderhand das richtige Atmen, eine bestimmte Atemtechnik, ohne Eile eingeübt, um sie dann im nächsten Schritt in Verbindung mit dem Bogenschießen zu bringen.


Leicht ist auch das für den Schüler nicht. Später erinnert er sich daran, „wie schwer es mir am Anfang fiel, die Atmung sich auswirken zu lassen. Zwar atmete ich technisch richtig, aber wenn ich darauf achtete, dass beim Spannen des Bogens die Arm- und Schultermuskeln gelockert blieben, versteifte sich unwillkürlich die Muskulatur meiner Beine umso heftiger …“5


Was der Meister ihn lehren möchte, ist für Herrigel anfangs sehr fremd. Sein bisheriges, altes Muster, den eigenen Körper zu koordinieren, steht ihm immer wieder im Weg. Das Neue, auch wenn es einleuchtend klingt, ist hingegen zunächst fremd. Erst durch dauerhafte Übung kann Neues wirklich erworben werden, sodass es tatsächlich zum Eigenen wird.


Herrigel notiert dazu: „Als ich dabei einmal zu meiner Entschuldigung bemerkte, ich bemühte mich doch gewissenhaft darum, gelockert zu bleiben“, erwidert der Meister: „'Das ist es ja eben, dass Sie sich darum bemühen, dass Sie daran denken. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die Atmung, als ob Sie gar nichts anderes zu tun hätten.'“6


Denn die Zielfixierung des Schülers, den Bogen richtig spannen zu lernen, bringt ihn ja zunächst dazu, die gelernte Atemtechnik als technisches Mittel einzusetzen, um nun an sein Ziel zu gelangen. Offenbar geht es so nicht. Der Atem soll kein Mittel sein, er soll einfach für sich sein dürfen, ohne in Dienst gestellt zu werden, damit er schließlich hilfreich ist, das Bogenschießen zu erlernen.


Das gelingt dann schließlich auch: „Ich lernte, mich so unbekümmert in die Atmung zu verlieren, dass ich zuweilen das Gefühl hatte, nicht selbst zu atmen, sondern, so seltsam dies auch klingen mag, geatmet zu werden …“, sodass sich nicht mehr zweifeln lässt, „dass die Atmung hielt, was der Meister versprochen hatte. Dann und wann, und im Laufe der Zeit immer öfter, glückte es, bei völliger Gelockertheit des ganzen Körpers den Bogen zu spannen und bis zum Schluss in Spannung zu halten, ohne dass ich zu sagen vermöchte, wie es zuging.“7


Rückblickend erkennt Herrigel selbst: Es brauchte, ja durfte nichts „gemacht“ werden: „Das also war des Pudels Kern: kein technischer Kniff, hinter den zu kommen ich vergeblich versucht hatte, sondern befreiende und neue Möglichkeiten eröffnende Atmung.“8


Warum der Meister es nicht gleich erklärte, erläutert Herrigel später ein Freund: „Hätte er den Unterricht mit Atemübungen begonnen, so hätte er Sie nie davon zu überzeugen vermocht, dass Sie ihnen Entscheidendes verdanken. Sie mussten erst mit Ihren eigenen Versuchen Schiffbruch erleiden, bevor Sie bereit waren, den Rettungsring zu ergreifen, den er Ihnen zuwarf.“9


Der nächste Schritt ist nun das Schießen. Hier kommt gleich wieder das „Um...zu…Denken“ ins Spiel: Man schießt, um zu treffen – wozu auch sonst? Das ist die Orientierung des Schülers, keineswegs je­doch die des Meisters, was aber der Schüler noch nicht versteht, ebendarum ist er auch ein Schüler. Beim Meister sieht dann auch „das Lösen des Schusses so einfach und anspruchslos aus, als sei es ein bloßes Spiel“10.


Der Meister ist nicht im Zielstreben gefangen, anders nämlich als sein Schüler, der sich um den Schuss bemüht und mit Mühe zu treffen versucht, was aber vergeblich bleibt: „… ich übte nach den Anordnungen des Meisters fleißig und gewissenhaft, und doch war alle Mühe vergebens.“11


Der Meister bleibt geduldig mit ihm und gibt ihm Zeit, sich aus dem Zielstreben zu lösen. „‘Denken Sie nicht an das, was Sie zu tun haben, überlegen Sie nicht, wie es auszuführen sei!‘, rief er mir zu. ‚Der Schuss wird ja nur dann glatt, wenn er den Schützen selbst überrascht. Es muss sein, wie wenn die Bogensehne den Daumen, der sie festhält, jählings durchschnitte. Sie dürfen also die rechte Hand nicht absichtlich öffnen.‘“


Doch dem Schüler gelingt es nicht, er bleibt stecken in seinen Versuchen und begründet es gegenüber dem Meister, indem er zu bedenken gibt, dass er doch den Bogen spanne und den Schuss löse, „um das Ziel zu treffen. Das Spannen ist also Mittel zum Zweck. Und diese Beziehung kann ich nicht aus dem Auge verlieren.“12


Die Schwelle, vor der der Schüler verharrt, ohne sie zu überschreiten, wird von dem Meister deutlich benannt: „‘Die rechte Kunst‘, rief da der Meister aus, ‚ist zwecklos, absichtslos! Je hartnäckiger Sie dabei bleiben, das Abschießen des Pfeiles erlernen zu wollen, damit Sie das Ziel sicher treffen, umso weniger wird das eine gelingen, umso ferner das andere rücken … Was Sie nicht tun, das, meinen Sie, geschehe nicht.‘“13


Da es ihm aber partout nicht gelingt, auf eine absichtslose Weise zu schießen, verfällt er darauf, einen „Trick“ anzuwenden, indem er die ihm bekannte Technik, beim Gewehrschießen den Schuss zu lösen, auf das Bogenschießen anwendet: Denn dort „wird der Zeigefinger langsam und so lange gekrümmt, bis ein verschwindend leichter Druck die letzte Hemmung überwindet“14.


 So gelingen die Abschüsse zwar, was aber den Nachteil hat, dass er sich jetzt gezwungen sieht, seine ganze Aufmerksamkeit auf die „Präzisionsarbeit“ der Hand auszurichten. Gerade so ist es aber kein „absichtsloses“, sondern planvolles, konzentriertes Geschehen, also nun erst recht ein „Machen“, was der Meister auch bemerkt und daraufhin den Unterricht abbricht, weil er sich vom Schüler betrogen sieht.


Schließlich kommt es zur Versöhnung, der Unterricht kann weitergehen. Und der Meister gibt die Antwort, wie denn der Schuss gelöst werden kann, wenn es nicht absichtsvoll geschieht. „Es“ schießt, lautet nämlich die Antwort. Nicht „Ich“ bin es, der etwas macht, sondern „Es“ geschieht ganz von allein.


Als das dann tatsächlich gelingt, verbeugt sich der Meister, allerdings nicht vor dem Schüler, sondern dem „Es“, das den Schuss geschehen ließ. „Ich habe mich nicht vor Ihnen verbeugt, denn Sie sind ganz unschuldig an diesem Schuss. Sie verweilten diesmal völlig selbstvergessen und absichtslos in höchster Spannung; da fiel der Schuss von Ihnen ab wie eine reife Frucht. Nun üben Sie weiter, wie wenn nichts geschehen wäre!“15


Dem entspricht der Zustand der Trance, auf den hin die energetische Hypnose sich orientiert: Nichts denken, nichts wollen und nichts müssen – das steht konträr zur Zielfixierung, zu dem bekannten Zielstreben. In der energetischen Hypnose soll der Klient sich nicht bemühen, er soll den Therapeuten nicht unterstützen, indem er sich zu „entspannen“ versucht.


Vielmehr ist es nämlich so, dass der Hypnosetherapeut solche Bedingungen anbietet, in denen „es“ geschehen kann, ohne dass es beabsichtigt wird. Dann erst kann innere Wahrheit auftauchen, die man nicht „ergrübelt“ hat.


Was dann in der Trance geschieht, ist, wie durch ein Tor zu schreiten in die eigene innere Welt. Ist man einmal hindurchgelangt, weiß man, dass es vorhanden ist und die innere Welt darauf wartet, dass man sie immer erneut besucht, bis irgendwann innere und äußere Welt, Machen und Geschehenlassen, sich auf eine Weise durchdringen, die sie gegenseitig ergänzt, so aber, dass für jeden Menschen es sein ganz eigener Weg sein wird, den nur er, als dieser Mensch, in dieser Welt zu gehen hat.




Anmerkungen:

1) Eugen Herrigel: Zen in der Kunst des Bogenschießens, Kindle, Pos. 249

2) a.a.O. 259

3) a.a.O. 264

4) a.a.O. 259

5) a.a.O. 284

6) a.a.O. 289

7) a.a.O. 294

8) a.a.O. 299

9) a.a.O. 305

10) a.a.O. 337

11) a.a.O. 347

12) a.a.O. 377

13) a.a.O. 383

14) a.a.O. 592

15) a.a.O. 632


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